Urteil vom 1. Juli 2021 – 3 StR 473/20
Das Oberlandesgericht Celle hat eine 30-jährige deutsche Staatsangehörige, die im Jahr 2014 in das syrische Bürgerkriegsgebiet ausgereist war, wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Zugleich hat es angeordnet, dass in der Türkei vollzogene Freiheitsentziehung im Umfang von etwa zweieinhalb Monaten auf die Gesamtfreiheitsstrafe im Maßstab 1:2 angerechnet wird. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat lediglich gegen die Anrechnungsentscheidung Revision eingelegt, so dass der Schuld- und der Strafausspruch rechtkräftig geworden sind.
Der für Staatsschutzstrafsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mit der Sachrüge geführte Revision der Generalstaatsanwaltschaft das Urteil des Oberlandesgerichts im Ausspruch über die Anrechnung ausländischer Freiheitsentziehung aufgehoben und die Sache insoweit an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
Die Überprüfung des Anrechnungsausspruchs hat der Senat anhand der bisher getroffenen nicht hinreichend klaren Feststellungen nicht vorzunehmen vermocht, denn die Wertung des Oberlandesgerichts, die von der Angeklagten in der Türkei erlittene Freiheitsentziehung sei als türkische Untersuchungshaft gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB auf die erkannte Freiheitsstrafe anrechenbar, findet dort keine sichere Grundlage. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erscheint die Annahme näherliegend, dass die Angeklagte außerhalb eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Abschiebehaft genommen worden war. Die Anrechnungsfähigkeit solcher Abschiebehaft wiederum ist von dem Vorliegen weiterer einschränkender Voraussetzungen – etwa einem internationalen Haftbefehl – abhängig, die das Oberlandesgericht bislang ebenfalls nicht festgestellt hat.
Vorinstanz:
OLG Celle – 5 StS 1/20 – 41 OJs 11/19 – Urteil vom 20. August 2020
§ 51 StGB (Anrechnung) lautet auszugsweise wie folgt:
(1) 1Hat der Verurteilte aus Anlass einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. 2…
(2) …
(3) 1Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. 2Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) 1Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. 2Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) …
Karlsruhe, den 1. Juli 2021
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501