Die Corona-Pandemie hinterlässt im Firmenkundengeschäft der deutschen Banken tiefere Spuren als die globale Finanzkrise 2008/2009. Während die Kreditinstitute seinerzeit im Corporate-Banking nur ein Halbjahr lang rote Zahlen schrieben, stecken sie nun mit diesem Geschäftszweig in der Minuszone fest. Darüber hinaus sind die Verluste in diesem Segment höher als vor gut zehn Jahren. Das zeigt die Auswertung des Corporate-Banking-Index im zweiten Halbjahr 2020 der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company.
Die roten Zahlen bei stabilen Erträgen resultieren in erster Linie aus der anhaltend hohen Kreditrisikovorsorge. Die Banken wappnen sich damit für eventuelle Zahlungsausfälle nach der Wiederaufnahme der Insolvenzantragspflicht am 1. Mai 2021. Insbesondere Darlehen im Automobilsektor und im Touristiksegment gelten eher als risikobehaftet. Auch daher setzen viele Banken nun bewusst auf Branchen, die von der Pandemie bislang weniger betroffen sind. Dazu zählen Konsumgüter, erneuerbare Energien und Pharma.
Auf das gesamte Kreditvolumen hat diese Reallokation noch keinen Einfluss. Im zweiten Halbjahr 2020 blieb es auf dem Rekordniveau von knapp 1,3 Billionen Euro. Allerdings nahm es erstmals seit 2015 nicht mehr zu. „Die Phase des Wachstums um jeden Preis ist im Firmenkundengeschäft zumindest vorerst vorbei“, erklärt Bain-Partner Dr. Christian Graf. „Die Banken gehen selektiver vor und achten auf einen attraktiven Kundenmix sowie hinreichende Margen.“
Die Kreditmargen befinden sich mittlerweile wieder auf dem Level von 2014 – und das ungeachtet eines massiven Wettbewerbs. Systematisch bauen vor allem ausländische Geldinstitute ihren Marktanteil aus. Die Vorstöße ausländischer Wettbewerber treffen die deutschen Banken zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn ihre Kosten- und Effizienzprogramme haben ihre volle Wirkung noch nicht entfaltet. Teilweise waren sie auch nicht weitreichend genug. Zwar konnten viele Institute mittlerweile den jahrelangen Anstieg ihres Verwaltungsaufwands im Corporate-Banking stoppen. Doch ihre Cost-Income-Ratio bewegt sich unverändert nahe den Höchstständen. Nicht zuletzt deshalb liegt ihre Eigenkapitalrendite im Firmenkundengeschäft mit rund minus ein Prozent nun das zweite Halbjahr in Folge im negativen Bereich.
Da die hohen Risikokosten und die ausgeprägte Unsicherheit am Markt eine rasche Erholung verhindern, ist entschlossenes Handeln das Gebot der Stunde. „Die Banken müssen ihre Kosten weiter senken und ihre Kapitaleffizienz steigern“, fordert Stefanie Jacobsen, Associate Partner bei Bain. „Und es gilt sich noch konsequenter auf margenträchtige Kundschaft und Produkte zu konzentrieren.“
Seit Jahren ruhen die Hoffnungen dabei auf dem Ausbau des Provisionsgeschäfts. Der Anteil der Provisionsüberschüsse an ihren Erträgen beläuft sich mittlerweile auf 31 Prozent und ist damit bis zu zehn Prozentpunkte höher als vor zehn Jahren. Im internationalen Vergleich ist dies allerdings nach wie vor ein niedriger Wert.
Um die Abhängigkeit vom Kreditgeschäft zu verringern, haben viele Institute in jüngster Zeit unter anderem das Transaction-Banking sowie ihre Advisory Services ausgebaut. Dabei zeigt sich, dass auch Kooperationen mit Fintechs sowie die Integration von Plattformen Dritter zum Erfolg führen können. Aus Sicht von Bankenexpertin Jacobsen sollte sich die Branche deshalb noch stärker für die Zusammenarbeit mit Dritten öffnen.
Darüber hinaus sind die Kreditinstitute mehr denn je gefordert, die Bedürfnisse ihrer Kundschaft zu antizipieren und frühzeitig passende Lösungen bereitzustellen. Derzeit gelte dies vor allem für das Thema Nachhaltigkeit beziehungsweise ESG (Environmental, Social, Governance). Unternehmen legen inzwischen großen Wert auf ESG-gebundene Darlehen sowie ESG-Serviceprodukte, die Nachfrage steigt an. (DFPA/JF1)
Quelle: Pressemitteilung Bain & Company
Bain & Company Inc. ist ein Managementberatungsunternehmen mit Sitz in Boston. Das 1973 gegründete Unternehmen unterhält 61 Büros in 38 Ländern.