Die Marktteilnehmer beginnen Zinserhöhungen einzupreisen, was in der sich abzeichnenden Größenordnung nicht gerechtfertigt sein dürfte, schreibt Mark Dowding, Chief Investment Officer beim Asset Manager Bluebay, in einem aktuellen Marktkommentar. Er sieht darin eher einen Halloween-Spuk, dem die Anleger aufsitzen.
Laut Dowding haben sich die Geldmarktrenditen in den Industrieländern allein in der vergangenen Woche dahingehend entwickelt, dass sie weitere mehrfache Zinserhöhungen in den nächsten 24 Monaten einpreisen. Besonders bemerkenswert sei der Anstieg von 200 Basispunkten in den nächsten zwölf Monaten in Neuseeland gewesen.
„Wir sind der Ansicht, dass die Bewegungen zwar bis zu einem gewissen Grad durch die steigenden Inflationsrisiken in der Weltwirtschaft gerechtfertigt sind. Der Markt ist aber eindeutig über das Ziel hinausgeschossen, insbesondere im Vereinigten Königreich und in Europa.
Aber wie wir wissen, ist Halloween, der Tag der Toten, eigentlich ein Fest des Lebens. Seit Jahren fragen sich Politiker und Anleiheexperten gleichermaßen, wie lange die Volkswirtschaften den massiven Anstieg der weltweiten Schuldenlast überleben können und ob es nicht möglich sei, die Schulden durch Inflation abzubauen. Jetzt, wo ein nominales Wachstum von bis zu acht Prozent, ein Defizit von etwa vier Prozent für 2022 und Refinanzierungssätze von meist unter 1,5 Prozent erwartet werden, scheint dies plötzlich zum Greifen nahe.
Sicherlich ist dies eine zu großzügige Interpretation. Die zugrunde liegende Wachstumsdynamik ist mittelfristig höchstwahrscheinlich nicht so robust, trotz hoher Barmittel durch gestiegene Sparquoten und wahrscheinlicher Zweitrundeneffekte auf dem Arbeitsmarkt; wenn Arbeitnehmer auf die gestiegene Inflation reagieren und höhere Löhne verhandeln.
Die Zentralbanken sollten daher sehr vorsichtig sein und die Zinsen nicht zu früh anheben. Sie sollten einem stärkeren Preisauftrieb nicht im Wege stehen, bevor die realen Zinssätze nicht anfangen, sich deutlich nach oben zu bewegen.
In diesem Zusammenhang beantwortete EZB-Chefin Lagarde jüngst die Frage des Marktes nach den Inflations- und Zinsaussichten in Europa recht direkt: Zinserhöhungen seien nicht zu erwarten, solange die mittelfristigen Inflationsprognosen von zwei Prozent nicht erreicht werden – was unserer Einschätzung nach nicht so bald der Fall sein dürfte.
Auch beim wichtigsten Ereignis der nächsten Woche, der Sitzung der US-Notenbank, dürfte das Überraschungspotenzial gering sein. Wie vom Markt erwartet, wird sie die Reduzierung der QE-Käufe ankündigen. Aus Angst vor rasch steigenden Zinsen schlotternde Anleger sollten daher ihr Nervenkostüm schonen. Der Schrecken an den Geldmärkten könnte schon bald wieder vorbei sein“, so Dowding abschließend. (DFPA/JF1)
Bluebay Asset Management LLP ist Spezialist für Fixed-Income-Management. Das Unternehmen mit Sitz in London verwaltet per 31. Juli 2021 mehr als 79 Milliarden US-Dollar für institutionelle Anleger und Finanzinstitute. Bluebay hat Niederlassungen in Großbritannien, der Schweiz, Deutschland, Luxemburg, den USA, Japan und Australien. Bluebay Asset Management befindet sich zu 100 Prozent im Besitz der Royal Bank of Canada und ist Teil von RBC Global Asset Management.