Die Inflationsrate im Euroraum ist seit dem Herbst 2022 von über 10 Prozent auf zuletzt 2,4 Prozent gesunken. Allerdings sind die Verbraucherpreise seit Jahresbeginn wieder deutlich schneller gestiegen als das von der EZB angestrebte Ziel von zwei Prozent. Dies wird hauptsächlich auf die stark steigenden Löhne zurückgeführt, die die Preise für arbeitsintensive Dienstleistungen antreiben, so Dr. Vincent Stamer und Christoph Weil von Commerzbank Economic Research. Obwohl die EZB und die Mehrheit der Volkswirte erwarten, dass die Inflation bis 2025 auf 2% sinken wird, prognostizieren wir eine Inflationsrate von eher 3%. Dies liegt zum einen an den erwarteten weiteren Anstiegen der Lohnkosten im kommenden Jahr und zum anderen daran, dass mit der wirtschaftlichen Erholung Unternehmen mehr Spielraum bei der Preisgestaltung haben.
Es wird erwartet, dass spätestens im Frühjahr 2025 die EZB erkennen wird, dass die Inflation nicht so leicht zu kontrollieren ist und sie den Zyklus der Zinssenkungen beenden muss. Die höheren Lohnkosten werden voraussichtlich dazu führen, dass die Preise wieder stärker steigen. Seit Anfang des Jahres hat sich der Preisanstieg von Monat zu Monat wieder verstärkt. Der saisonbereinigte Verbraucherpreisindex ohne Energie, Nahrungsmittel und Genussmittel ist in den ersten drei Monaten des Jahres auf das Jahr hochgerechnet um mehr als 3% gestiegen.
Der Anstieg der Dienstleistungspreise hat sich verstärkt, während sich die Preise für Waren stabilisiert haben. Es wird angenommen, dass der Anstieg des Kernindex im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres durch indirekte Effekte wie niedrigere Energiepreise gebremst wurde. Diese Effekte scheinen nun ausgelaufen zu sein, sodass andere Treiber wie die stark steigenden Lohnkosten nun dominieren.
Es wird erwartet, dass die Lohnkosten weiter steigen werden, da Tarifverträge einen Anstieg um mehr als 4% vorsehen. Die tatsächlich gezahlten Löhne dürften sogar noch stärker steigen. Die Knappheit an Arbeitskräften wird voraussichtlich zunehmen, da viele Unternehmen über einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften klagen. Die Alterung der Bevölkerung wird ebenfalls dazu beitragen, dass das Angebot an Arbeitskräften abnimmt und die Nachfrage nach arbeitsintensiven Dienstleistungen steigt.
Insgesamt dürfte die Knappheit an Arbeitskräften im Trend weiter zunehmen und die Löhne antreiben. Aufgrund der Konjunkturbelebung dürften Unternehmen auch besser in der Lage sein, die höheren Lohnkosten an ihre Kunden weiterzugeben.