Hoffnung keimt, seit an der Glacisstraße neben dem Behrschen Haus gebaut wird. Doch das Denkmal bleibt unberührt. Die Baugrube ist bereits ausgehoben. Ein buntes Bauschild verkündet an der Kreuzung Wigard-/Glacisstraße, dass hier zwei neue Wohnhäuser gebaut werden. Die Firma Gamma Immobilien nennt sie Vorder- und Gartenhaus. Die Würfel mit Flachdach sind fünf- und viergeschossig farblich in Weiß und Grau gehalten. Irritiert sucht der Passant auf dem Schild nach dem Behrschen Haus, der Villa, die auf dem Eckgrundstück steht. Doch für sie gibt es offenbar keine Sanierungspläne. Im Internetauftritt des Bauträgers finden sich keine Informationen. Auf SZ-Anfragen antwortet er nicht. Dabei sorgen sich viele Dresdner um das denkmalgeschützte Gebäude, das zu den letzten erhaltenen Gebäuden des Ensembles Innere Neustadt zählt.
Seit Anfang der 1990er-Jahre steht das Behrsche Haus leer und verfällt. Zwar wurden das Dach vor sieben Jahren notdürftig gesichert und neue Dachrinnen angebaut. Doch mehr hat sich an dem spätklassizistischen Haus nicht getan. „Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich auf dem Grundstück Bauarbeiten sah“, sagt Grünen-Stadtrat Thomas Löser. Doch diese Freude währte nur kurz. Auf Nachfrage erfuhr er vom Stadtplanungsamt, dass Gamma nicht vorhat, die Villa zu sanieren.
Für Löser ist das eines der Beispiele im Umgang mit Investoren, gegen die er als baupolitischer Sprecher seiner Fraktion und Mitglied der Gestaltungskommission kämpft. „Die Behrsche Villa steht an sehr exponierter Stelle. Warum nutzt die Verwaltung hier nicht ihre Möglichkeiten und genehmigt Gamma Immobilien die Neubauten nur unter Maßgabe, dass auch die Villa saniert wird?“, fragt der Stadtrat. Stattdessen segne das Stadtplanungsamt zwei Gebäude ab, die nach Lösers Ansicht das Denkmalhaus durch ihre Höhe nahezu erdrücken und sehr dicht an dieses herangebaut werden. Zudem sei der architektonische Anspruch nicht annähernd vergleichbar mit dem des gegenüberliegenden Attriums am Rosengarten. Er spricht von zwei weiteren gesichtslosen Flachdach-Klötzen in Weiß-Grau. „ Das ist kein Ausweis von Moderne, sondern eher von Gestaltungsunwilligkeit. Um solche Bauten zu verhindern, haben wir für Blasewitz und Striesen Erhaltungssatzungen erstritten. Jetzt wird sehenden Auges eine Umgebung maßgeblich verändert, und die Stadt schaut tatenlos zu“, sagt Löser verärgert.
Das Denkmalschutzamt schreibt auf SZ-Anfrage, dass es „denkmalrechtlich nicht möglich ist, die Erteilung einer Neubaugenehmigung bzw. die Zustimmung zu Neubauten mit Sanierungsauflagen für ein Denkmal zu verknüpfen.“ Zwischen beiden Inhalten bestehe kein denkmalrechtlicher Zusammenhang. „Die Stadt hätte wenigstens versuchen können, mit dem Bauherren zu reden“, sagt Löser. Es gebe inzwischen Investoren, die mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Projekte vor dem Bau mit der Gestaltungskommission absprechen. Dafür habe die Kooperation von Rot-Rot-Grün lange gekämpft. Jetzt entwickle sich langsam diese Kultur für Gestaltungsfragen. „Es ist Aufgabe des Stadtplanungsamtes, den Bauträger zu beraten, damit solche Projekte wie an der Glacisstraße nicht einfach so umgesetzt werden“, sagt Löser.
Vor allem Wettbewerbe seien geeignet, um gute Lösungen für solch sensiblen Orte zu finden. Dies sei dem Stadtplanungsamt am Neumarkt mit dem Quartier Hoym sowie bei der Lingnerstadt gut gelungen. „Gebäude prägen die Stadt viele Jahre, im besten Fall Jahrhunderte. Da sollten wir uns die Zeit für Qualität nehmen“, sagt Löser und verweist auf einen Gastbeitrag des früheren Baubürgermeisters Gunter Just in der SZ vom 24. Juni. Darin hatte der gefordert, dass die Stadt Baukultur von Investoren erzwingen sollte, notfalls auch mit rechtlichen Mitteln. Und dass sie ihre Handlungsspielräume besser nutzen sollte. „Da stimme ich Herrn Just voll zu“, sagt Löser. „Wir müssen den Bauherren klarmachen, dass wir nicht mehr bereit sind, uns weiter Nullachtfünfzehn-Projekte vor die Nase knallen zu lassen. Diese Verantwortung sehe ich insbesondere beim Leiter des Stadtplanungsamtes Stefan Szuggat.“
Nach SZ-Informationen hat Gamma Immobilien vor, die Villa zu verkaufen. Bis dahin ist die Firma zum Erhalt der Villa verpflichtet. Sie wurde 1832 fertiggestellt und vom späteren sächsischen Finanz- und Justizminister Johann Heinrich August von Behr bewohnt.
Quelle: Sächsische Zeitung (www.sz-online.de