Deutschland ist eine Mieternation. Nur 45 Prozent der Haushalte leben in den eigenen vier Wänden, unter den OECD-Ländern ist die Quote nur in der Schweiz noch niedriger. Das muss nicht per se ein Problem sein. Viele – auch unsere – Studien haben gezeigt, dass Mieter mobiler sind. Für einen funktionierenden Arbeitsmarkt ist das wichtig. Darüber hinaus sind Volkswirtschaften mit hoher Mieterquote robuster, weil sich die Haushalte seltener stark verschulden. Und dennoch: Zumindest zwei Argumente sprechen dafür, dass es Deutschland gut tun würde, wenn wir es den Menschen erleichterten, Wohneigentum zu schaffen.
Erstens ist die Vermögensbildung in Deutschland unterentwickelt. Nach Statistiken der Europäischen Zentralbank verfügen deutsche Haushalte über weniger Vermögen als Haushalte in Spanien, Italien oder Irland. Man kann lange über diese Statistiken streiten, etwa weil dabei Vorsorgesysteme wie die Rentenversicherung nicht berücksichtigt werden. Dennoch bleibt ein großer Unterschied, der letztlich auf der geringeren Wohneigentumsbildung fußt.
Theoretisch könnten Mieter den Betrag, Eigentümer über die Tilgung der Kredite zum Vermögensaufbau verwenden, natürlich sparen. Und sie könnten diese Beträge in diversifizierte Portfolios anlegen, die ein besseres Rendite-Risiko-Verhältnis als Wohneigentum haben. Allein: Sie tun es nicht. Eindrucksvoll zeigen wirtschaftspsychologische Studien, wie schwer es uns fällt, für ferne Ziele wie eine bessere Rente zu sparen. Ein Kredit, den man abbezahlen muss und an dem die eigene Wohnung hängt, diszipliniert dagegen.
Ungleichheit verringern
Mehr Wohneigentum würde nicht nur die individuelle Vermögensbildung und Altersvorsorge stärken, sondern hätte auch einen Einfluss auf die Vermögensverteilung: Während Deutschland bei der Einkommensungleichheit im internationalen Vergleich keineswegs heraussticht, sind die Unterschiede im Vermögen in Deutschland tatsächlich besonders groß. Eine Stärkung des Wohneigentums würde die Vermögensungleichheit verringern, da mehr Menschen von steigenden Immobilienpreisen profitierten. Auf diese Weise könnten breite Schichten an den Vorteilen des Kapitalmarktes teilhaben.
Zweitens ist Wohneigentum in der aktuellen Phase schlicht günstiger als das Wohnen zur Miete. Dies mögen viele Menschen derzeit nicht so recht glauben, schließlich sind die Wohnungspreise doch stark gestiegen. Tatsächlich sind die Zinsen aber noch schneller gefallen. Demgegenüber stehen teilweise starke Mietsteigerungen, insbesondere in den Städten. Selbst unter Berücksichtigung der Kredittilgung – die ja dem Vermögensaufbau dient, den Mieter gar nicht durchführen – ist die finanzielle Belastung der Eigentümer in vielen Regionen deutlich geringer als die der Mieter.
Bedingt durch die geringen Zinsen gibt es also ein Zeitfenster, in dem Wohneigentum besonders günstig ist. Und es ist anzunehmen, dass sich dieses Zeitfenster nicht so schnell schließt. Zwar wird nun vermehrt über eine Zinswende in der Eurozone diskutiert, aber die wird nur langsam und vorsichtig erfolgen. Darüber hinaus hat die EZB einen geringen Einfluss auf die langfristigen Zinsen – denn die werden am globalen Kapitalmarkt im Zusammenspiel von Ersparnissen und Investitionen bestimmt. Da die Ersparnisse sehr hoch sind und die Investitionen stagnieren, deutet vieles darauf hin, dass die Niedrigzinsphase bis in die 2020er Jahre anhält.
Dennoch stagniert die Wohneigentumsbildung, seit 2010 ist die Eigentumsquote praktisch unverändert. Das liegt vor allem an den hohen Einstiegshürden in Form des benötigten Kapitals. Wer beispielsweise in Nordrhein-Westfalen eine Wohnung für 250.000 Euro kaufen möchte, was etwa dem deutschen Durchschnittspreis entspricht, muss rund 28.000 Euro an Erwerbsnebenkosten bezahlen: 16.500 Euro für die Grunderwerbssteuer, 8.900 Euro für den Makler, den Rest für Notar und Grundbuch. Zusätzlich erwartet die Bank für einen Kredit mindestens 25.000 Euro Eigenkapital. Insgesamt braucht der Käufer also Ersparnisse von mehr als 50.000 Euro. Darüber verfügen aber nur elf Prozent der Mieter. Die überwältigende Mehrheit ist also faktisch von der Eigentumsbildung ausgeschlossen.
Es geht auch anders – das zeigen unsere niederländischen Nachbarn: Dort muss man beim gleichen Kaufpreis von 250.000 Euro nur 6.500 Euro an Nebenkosten bezahlen. Das liegt unter anderem daran, dass dort schon lange das Bestellerprinzip bei Immobilienkäufen gilt. Das hat zu einer deutlichen Reduktion der Maklerprovisionen geführt. Zudem gibt es in den Niederlanden keine festen Notargebühren und die Grunderwerbssteuer beträgt nur zwei Prozent.
Zwar lässt sich nicht alles eins zu eins übertragen, aber es gibt genügend Ideen, wie die Barrieren für den Wohneigentumserwerb gesenkt werden können, ohne den Staat zu überlasten. Eine Möglichkeit besteht darin, die Grunderwerbssteuer neu aufzustellen: Statt eines einheitlichen Steuersatzes könnte ein Freibetrag mit Stufentarif wie im Vereinigten Königreich eingeführt werden. Damit würden de facto kleine und günstige Eigentumswohnungen entlastet, Villen und Penthäuser dagegen stärker belastet. Dies würde die Eigentumsbildung für Haushalte mit mittleren Einkommen erleichtern, ohne dass die Länder auf Steuereinnahmen verzichten müssen.
Egal wie sich die nächste Bundesregierung zusammensetzt: Durch eine Stärkung der Wohneigentumsbildung hat sie die Chance, ohne große Mehrbelastungen für den öffentlichen Haushalt die Altersvorsorge der Bürger zu verbessern – und dabei gleichzeitig die Vermögensungleichheit zu mindern.
Quelle: ZEIT Online
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