Eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie sorgt die wirtschaftliche Normalisierung für ein Umdenken bei den Notenbanken, schreibt Robert Greil, Chefstratege bei der Privatbank Merck Finck, im aktuellen Marktkommentar „Blitzlicht“. Die Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik werde Schritt für Schritt Realität – allerdings in unterschiedlichem Tempo.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hält die Inflation nach wie vor für eine vorübergehende Erscheinung, schreibt Greil. Zwar drosselte sie zuletzt das Tempo ihrer Anleihekäufe leicht, möchte dies aber explizit nicht als Ausstieg aus der weiterhin sehr expansiven Geldpolitik verstanden wissen. „Die Lady tapert nicht“, zitiert Greil die EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Das Dezember-Meeting der EZB sollte Aufschluss bringen, wie der künftige Kurs in Sachen Anleihekäufe aussieht. Eine Leitzinsanhebung sei aber derzeit noch in weiter Ferne.
Die US-Notenbank Fed ist da schon etwas weiter, so Greil. Seit Monaten bereite sie den Kurswechsel hin zum Tapering behutsam vor. „Sollte der US-Arbeitsmarktbericht für September an diesem Freitag nicht enttäuschen (wovon wir ausgehen) und in diesem Monat die weiteren Daten zumindest halbwegs stabil bleiben, dürfte Jerome Powell Anfang November einen konkreten Plan zur Normalisierung der Geldpolitik vorlegen“, schreibt Greil. Ziel dürfte es sein, die Netto-Anleihekäufe der Fed bis etwa Mitte 2022 auf null zurückzufahren. Mit einer ersten Leitzinserhöhung ist frühestens in einem Jahr, eher Anfang 2023 zu rechen.
Die Bank of England (BoE) befindet sich bereits in der Schlussphase ihres QE-Programms, und könnte eigentlich schon bald die erste Leitzinsanhebung anpeilen, meint Greil und führt aus: „Die BoE hält ihren Leitzins seit März 2020 bei 0,1 Prozent. Angesichts diverser Versorgungsengpässe würde eine Zinsanhebung die Verbraucher derzeit aber wohl noch weiter verunsichern, was die Konsumstimmung und damit Ausgabenbereitschaft belasten würde. Wir rechnen daher frühestens in einigen Monaten mit dem ersten Leitzinsschritt nach oben.“
Unterm Strich schwenken die Top-Notenbanken laut Greil in unterschiedlichem Tempo nun langsam auf einen weniger, aber immer noch expansiven geldpolitischen Kurs ein. „Manch kleinere Notenbank hat den Schwenk bereits vollzogen. So etwa die norwegische Zentralbank, die Ende September den Leitzins von bislang null Prozent auf 0,25 Prozent heraufsetzte. Gleichzeitig stellte die Zentralbank weitere Zinserhöhungen in Aussicht“, so Greil abschließend. (DFPA/JF1)
Merck Finck a Quintet Private Bank (Europe) S.A. branch hat ihren Sitz in München. Mit Mitarbeitern an 16 Standorten in ganz Deutschland verwaltet sie rund zehn Milliarden Euro an Kundengeldern. Merck Finck ist Teil des Privatbankverbunds Quintet Private Bank (Europe) S.A. (vormals KBL European Private Bankers) in Luxemburg.