Seit dem 21. Juli 2019 gilt: Bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren, deren Gesamtgegenwert im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) weniger als acht Millionen Euro beträgt, ist kein Wertpapierprospekt mehr notwendig. Es reicht aus, ein wesentlich kürzeres und kostengünstigeres Wertpapier-Informationsblatt (WIB) zu erstellen, dieses bei der BaFin zu hinterlegen und zu veröffentlichen. Damit hat der deutsche Gesetzgeber die in der neuen EU-Prospektverordnung vorgesehene Möglichkeit der Prospektfreiheit auf nationaler Ebene ausgeschöpft und für eine Förderung des Kapitalmarkts in Deutschland gesorgt.
Wertpapiere bis zu einem Gesamtgegenwert von weniger als 100.000 Euro können nicht nur prospektfrei, sondern auch ohne WIB öffentlich angeboten werden. Für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren mit einem Gesamtgegenwert ab 100.000 Euro ist zwar kein Prospekt, dafür aber ein WIB erforderlich. Beide Grenzen sind jeweils über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen.
So weit, so gut. Doch um Wertpapiere prospektfrei vertreiben zu dürfen, müssen weitere Anforderungen beachtet werden. Das gilt insbesondere für den Vertrieb an nicht qualifizierte Anleger wie Privatanleger, die im Unterschied zu professionellen Anlegern nicht über ausreichende Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügen, um ihre Anlageentscheidungen selbst treffen und die damit verbundenen Risiken angemessen beurteilen zu können. An nicht qualifizierte Anleger darf ab einem Angebot von einer Million bis weniger als acht Millionen Euro ausschließlich per Anlageberatung oder -vermittlung über ein nach § 32 Kreditwesengesetz (KWG) zugelassenes Wertpapierdienstleistungsunternehmen (zum Beispiel ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut) vertrieben werden. So soll gewährleistet werden, dass eine sachkundige Anlageberatung (oder -vermittlung) stattfindet, bei der geprüft wird, ob die Anlage für den Anleger geeignet (oder angemessen) ist. Bei WIB-pflichtigen Wertpapierangeboten mit einem Emissionsvolumen von 100.000 Euro bis weniger als eine Million Euro besteht dagegen kein Erfordernis der Einbeziehung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens. Hier ist das Angebot als Eigenemission zulässig, wobei alle Vertriebskanäle ohne Einschränkungen genutzt werden können.
Das einzubeziehende Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist vor der Vermittlung des Vertragsschlusses über prospektfreie Wertpapiere verpflichtet, die Einhaltung von sogenannten Einzelanlageschwellen zu prüfen. Das heißt, der Vertrieb muss prüfen, ob der Gesamtbetrag der Wertpapiere, die ein nicht qualifizierter Anleger erwerben kann, folgende Höchstanlagebeträge nicht überschreitet:
- 000 Euro, sofern der nicht qualifizierte Anleger nach einer von ihm zu erteilenden Selbstauskunft über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumenten von mindestens 100.000 Euro verfügt, oder
- den zweifachen Betrag des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens des nicht qualifizierten Anlegers, höchstens jedoch 25.000 Euro.
Ab einem Wertpapierangebot von einer Million Euro darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen somit einen Vertragsschluss an nicht qualifizierte Anleger nur vermitteln, wenn es geprüft hat, dass der Gesamtbetrag der Wertpapiere entweder 10.000 Euro oder den zweifachen Betrag des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens (höchstens 25.000 Euro) nicht übersteigt. Die Selbstauskunft über das Vermögen oder das Einkommen des Anlegers ist in dem Umfang einzuholen, wie es erforderlich ist, um die Einzelanlageschwellen prüfen zu können.
Die vorgenannten Einschränkungen gelten nicht für Wertpapiere, die den Aktionären im Rahmen einer Bezugsrechtsemission angeboten werden. Die Prüfungspflicht greift außerdem nicht, wenn der Gesamtbetrag der Wertpapiere, die von dem nicht qualifizierten Anleger erworben werden, 1.000 Euro nicht überschreitet.
Fazit: Prospektfreie und gleichzeitig WIB-pflichtige Wertpapierangebote mit einem Emissionsvolumen ab 100.000 Euro bis weniger als eine Million Euro sind im Eigenvertrieb möglich. Die Hinzuziehung eines nach § 32 KWG lizenzierten Wertpapierdienstleistungsunternehmens ist erst ab einem öffentlichen Wertpapierangebot von einer Million Euro verpflichtend. Ab diesem Betrag ist das Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei Privatanlegern verpflichtet, die Einhaltung von Einzelanlageschwellen zu prüfen.
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